Warum ich Essen fotografiere – Überlegungen mit Cantuccini

 

Ja, es ist einige Zeit vergangen, seit ich das letzte Mal hier hineingetippt habe. Es hat einfach viel zu viel anderweitig getobt und gesprudelt seit den vierhändigen Eclairs im Frühling.

Und irgendwo zwischen denen und jetzt saß ich mal mit Frau Vogel beisammen, zwischen uns zwei Gläser guter Birnengeist. Und eine Frage. Ute schob eine Augenbraue nach oben, kniff die Augen zu einen seelendurchbohrenden Blick zusammen und sprach:

Ja, was ist denn nun der Sinn von dieser ganzen Essen-Fotografiererei? Ich meine, is‘ ja schön und gut, die ganzen hübschen Bilder, das schön angerichtete Essen, die Blümchen auf dem Tisch und die Vogelperspektive. Aber ist das denn nicht alles nur noch dasselbe, überall? Was bringt das denn?

Warum macht man das denn eigentlich, Essen fotografieren?

Das schlug ein. Härter als der Birnenschnaps. Ich musste grübeln. Neben der Tatsache dass es – zumindest mir persönlich – Geld bringt, da dies ja nun mein herzallerliebster Beruf geworden ist, muss es doch irgendwie mehr sein als nur das. Ich glaube, nach diesem Abend weiß ich es nun.

Pippi Langstrumpf hat immer gesagt: „Ich mach‘ mir die Welt, so wie sie mir gefällt“. Und ich glaube, der legendäre Satz trifft genau den Punkt.

Denn da habe ich sie, diese Welt, so wie sie mir gefällt, gleich auf der anderen Seite der Kameralinse. Dort wartet sie darauf, dass ich sie anpacke und neu zeichne. Eine Welt, in der im Handumdrehen ein riesiges Fest steigen kann, mit neonfarbenen Donuts, Luftballons und Glitzersprenkel in allen Farben des Regenbogens. Oder in der es ganz still ist und eine dampfende Tasse voll Punsch das Herz wärmt. Eine Welt in der Kinderstimmen lachen, in der die Sonne scheint und wir picknicken gehen. In der Geborgenheit herrscht oder kreatives Chaos scheppert. Ich bestimme.

Ein Ort, an dem ich immer weiß, was passiert.

Ich kann vorhersehen, ob der runde Teller oder doch der eckige heute dran ist, ob das Blütenblatt dorthin oder hierhin fällt. Oder vielleicht gibt es heute ja auch garkeine Blumen. Ich weiß, was passiert, wenn ich mit viel Holz den Tisch decke oder statt einer weißen eine gepunktete Serviette benutze. Wenn ich die Tiefenschärfe anders regle oder doch etwas mehr Schatten spielen lasse. Alles ist unter Kontrolle. Alles benimmt sich genauso, wie ich es möchte.

Es ist eine Welt, in der die Dinge logisch funktionieren.

Und so kauere ich da, und kann stundenlang einen Kekskrümel hin- und herschieben. Dann die Tasse. Dann den Teelöffel. Ein Mantra. Ein monotones, langwieriges, langweiliges, obsessiv sich wiederholendes Ritual. Eine wunderbare Ruhe breitet sich inzwischen aus, wie ein Seelenbalsam. Die Gedanken, die vorher hektisch umherschweiften, sind nun fokalisiert, gebündelt, geordnet. Die Hände, die manchmal zittern, ruhig und sicher. Die Ängste stumm.

Das alles kann passieren, während ich den perfekten Platz für den Krümel suche.

Das Essen schaut nicht mit vorwurfsvollen Blick, es beschwert sich nicht, wenn du zu langsam bist und nörgelt nicht, wenn du es auftakelst, zerschnippelst, anknabberst oder mit Wasser betröpfelst. Es hetzt nicht.

Es kann Stunden dauern, bis ich mein kleines Bild so auf- und umgeräumt habe, bis es perfekt ist. Es ist doch manchmal ein kleiner Kampf mit mir selbst, eine Herausforderung. Klappt es heute immernoch? Frage ich mich manchmal. Oder habe ich es im Schlaf verlernt?

Und in mir drin weiß ich es trotzdem, der Moment wird kommen. Die perfekte Szene wird auch heute wieder vor mir liegen. Zumindest für mich persönlich perfekt. Mindestens ein paar Sekunden lang – bevor ich wieder meine unendlich vielen Fehler finde.

wieso ich essen fotografiere _ Vivi D'Angelo

Doch das beste daran: wenn es mir doch nicht gefällt, kann ich alles wieder blankwischen und von vorne anfangen.

Ich weiß nicht, wie es bei allen anderen so ist, mit dem Essenfotografieren. Vielleicht ist es auch bloß eine Modeerscheinung, eine kollektive Leidenschaft, oder gar ein Wettbewerb nach dem allerschönsten Bild mit den allermeisten Likes. Ich kann nur sagen, wie es bei mir ist.

Ende der Überlegung.

Und da es ja zu allen guten Überlegungen auch was zu knabbern geben sollte, habe ich hier noch ein paar Cantuccini bereitgestellt. Cantuccini tropicali, weil von Julias Rezept aufs tropisch-sommerliche abgewandelt, und weil ich diese wunderbar unkomplizierten Kekse immer mit der Sorte Trockenobst backe, die ich gerade im Haus habe. Die hätten übrigens sensationell zu unserem Birnentrunk gepasst.

Cantuccini Tropicali

(für etwa 40 kleine Cantuccini-Kekse:)

  • 150 g Mehl
  • 1/2 TL Backpulver
  • 80 g Puderzucker, gesiebt
  • 1 Ei
  • 1 Prise Salz
  • etwa 60 g getrocknete Ananas, Papaya und Kokoswürfel, gemischt

Den Backofen auf 180°C vorheizen.

In einer Schüssel Mehl, Backpulver und Salz vermischen, dann das Puderzucker dazusieben. Die getrockneten Früchte klein würfeln, mit dem Ei in die Schüssel geben. Kneten, bis ein fester Teig entsteht, aus diesem Teig dann eine Rolle mit etwa 2-3 cm Durchmesser formen. Die Rolle auf ein Backblech mit Backpapier legen und etwa 15 Minuten lang backen. Nach dieser Zeit müsste die Rolle etwas goldgelb geworden sein, allerdings noch nicht allzu dunkel. Die Rolle aus dem Ofen nehmen, den Ofen auf 100°C runterschalten (ich lasse hier die Ofentür immer kurz offen, damit der Ofen schneller runterkühlt. Aber bitte auf neugierige Hunde- und Katzenschnauzen aufpassen!). Die Keksrolle auch kurz abkühlen lassen, dann mit einem scharfen Messer in 1 cm dicke Scheiben schneiden. Die Kekse wieder auf das Blech legen und weitere 10-15 Minuten weiterbacken. Abkühlen lassen.

Finito.

 

5 Gedanken zu “Warum ich Essen fotografiere – Überlegungen mit Cantuccini

  1. Ha ha ha, das hast Du so aber geträumt – unser Gespräch beim Birnengeist, oder hatte ich zuviel Birnengeist? 😉

    Ein wunderbarer Blogpost, danke für die Einblicke in Deine Motivation.

    Zur Erläuterung: Ich hatte diese Frage in die sozialen Netzwerke geworfen als ich eine Session für das stARTcamp München 2014 vorbereitet hatte. Da ging es u. a. um das Phänomen, dass überall Fotos von Essen gepostet werden, auf die z. T. sehr ambivalent reagiert wird. Die Slides dazu gibt es hier: http://www.slideshare.net/frau-Vogel/eatart-und-eatingdesign-beim-startcamp-mncheneatart-und-eatingdesign-beim-startcamp-mnchen

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    1. Hihi liebe Ute,
      definitiv hatte ich zuviel des guten Geistes – sonst hätte ich nicht umdichten müssen,was mir so schwammig im Gedächtnis blieb. Aber der seelebdurchbohrende Frau-Vogel-Blick, den habe ich ganz gewiss nicht nur geträumt 😉
      Danke Dir fürs Anspornen!

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    1. Liebe Ina,
      das freut mich, dass es dir hier so gut gefallen hat. Ja, ich wollte schon lange in Worte fassen, was von außen vielleicht nur aussieht wie ein oberflächliches „Modehobby“. Für mich ist es viel viel mehr als das, und ich bin froh, immer mehr Leute kennenzulernen, die diese Leidenschaft mit mir teilen.
      Sei gedrückt! Vivi

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